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FamilieGesundheit

Reise ins ungewisse – Gastbeitrag einer starken 3-fach Mami

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Wir wissen nicht wohin die Reise geht….

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Ein drittes Kind?

Schwanger mit dem dritten Kind. Ein Wunschkind, eine wichtige Entscheidung. Man hat zwei gesunde Kinder, soll man sich das wirklich nochmal antun? Urlaubsreisen, Auto etc… alles ist auf zwei Kinder ausgelegt. Trotzdem haben wir uns bewusst dafür entschieden.

Da meine beiden Großen auch mit Kaiserschnitt geholt werden mussten, war schnell klar dass auch Nummer drei mit Kaiserschnitt zur Welt kommen wird. Die Schwangerschaft war nicht wirklich toll, aber egal. Hauptsache am Ende hat man ein gesundes Kind in den Armen.

 

Die Geburt

Der Kaiserschnitt wurde drei Wochen vor dem eigentlichen Termin anberaumt, da meine alte Narbe zu reißen drohte. Eigentlich alles super, man konnte gut alles planen und organisieren. Die beiden Großen wurden untergebracht, mein Mann hatte zwei Wochen Babyurlaub eingetragen.

Der Kaiserschnitt an sich war völlig normal, wir wussten ja genau was auf uns zukommt. Ruck Zuck war er da, hat geschrien und wir waren einfach nur glücklich. Dann wurde ich zusammen geflickt und mein Mann durfte mit unserem Baby mit. Als ich dann in den Kreißsaal zurück geschoben wurde, hab ich gleich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Kein Baby da und mein Mann hat betrübt in der Ecke gesessen. Unser Baby hatte Anpassungsschwierigkeiten beim Atmen und musste daher auf die Kinderstation verlegt werden. Natürlich nicht schön, wir waren enttäuscht, aber ok das haben ja viele.

 

Unserem Baby geht es immer schlechter

Allerdings wurden die Werte von unserem Baby immer schlechter. Der Chefarzt der Kinderklinik wurde gerufen und teilte uns mit, dass sie unserem Baby nicht helfen können. Die Geräte dafür sind vorhanden aber kein entsprechendes Personal. Diese wurden von der Klinikleitung aus Kostengründen zum Überstundenabbau verdonnert. Wir konnten das nicht glauben. Gerade war doch noch alles gut…dann ging alles ganz schnell. Unser Baby wurde mit Blaulicht und Sirene im Inkubator in die Kinderklinik Böblingen verlegt. Ich mit meinem frischen Kaiserschnitt kurz danach, ebenfalls mit Blaulicht und Sirene. Da liegt man auf der Liege, wird durchgeschüttelt und denkt immer nur, dass das Ganze doch nur ein Alptraum sein kann…

Mein Mann kam mit dem Auto nach. Auf der Kinderintensivstation wurde unser Baby intubiert, alle schauten uns sehr ernst an. Es vergingen mehrere Stunden, in dem das Klinikpersonal verzweifelt versucht hatte unser Kind zu stabilisieren, auch da wurde der Chefarzt aus seiner Freizeit gerufen. Alle Versuche umsonst, sie haben es nicht geschafft. Uns wurde mitgeteilt, dass er in die Uniklinik Tübingen verlegt werden muss. Wir sollen uns von ihm verabschieden….

 

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Lebt er noch?

In die Uniklinik durfte ich nicht mit, da keine weiteren Betten vorhanden waren. Netterweise hat das Klinikpersonal erlaubt, dass mein Mann bei mir schlafen durfte. Wir wurden in einen extra Raum geschoben. Da liegt man nun und hat keine Ahnung wie es dem eigenen Kind geht. Lebt er noch? Wenn ja, welche Schäden hat er davon getragen? Es sind fürchterliche quälende Fragen und man denkt einfach immer wieder dass es sich doch um einen Alptraum handeln muss und man jetzt gleich einfach wieder aufwacht.

Am nächsten Morgen ist mein Mann gleich nach Tübingen gefahren. Unser Sohn hat die Nacht überlebt aber auch da war sein Gesundheitszustand sehr kritisch. Er schwebte in akuter Lebensgefahr. Es blieb uns nur abzuwarten, mein Mann in Tübingen und ich in Böblingen. Gegen Mittag wurde ich auf eigenen Wunsch wieder in das Krankenhaus bei meinem Heimatort verlegt. Wenigstens das…. Dort wurde ich gefragt ob ich Milch abpumpen möchte… Möchte ich das? Lohnt sich das überhaupt wenn mein Kind sowieso sterben muss?? Nein, ich verwerfe den Gedanken, reiße mich zusammen und pumpe meine Milch ab. Auch da darf mein Mann bei mir schlafen. Das Personal ist wirklich sehr nett und nimmt ehrlich Anteil. Das ist nun schon die zweite ungewisse Nacht…

 

Wann hört dieser Albtraum endlich auf?

Wir hatten eine Telefonnummer bekommen um uns nach dem Zustand unseres Babys zu erkundigen. Es ist ein merkwürdiges Gefühl morgens anzurufen um zu fragen ob unser Baby die Nacht überlebt hat, bzw. wie es ihm geht… Er hat überlebt, aber sein Zustand ist nach wie vor kritisch, mein Mann fährt nach Tübingen und ich bin wieder allein. Allein mit meinen Gedanken, Ängsten und Sorgen.

Mittags hat sich sein Gesundheitszustand erneut verschlechtert, er musste notoperiert werden. Man hatte ihm eine beidseitige Thorax-Drainage legen müssen um seine Lunge zu entlasten. Wann hört dieser Alptraum endlich auf? Zwischenzeitlich stellt man sich wirklich die Frage ob es nicht besser wäre, dass sie die Maschinen abstellen und ihn einfach gehen lassen….

Aber wir haben einen Kämpfer bekommen. Nach der Operation geht es ihm endlich etwas besser.

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Abschied nehmen

Als mein Mann das erste Mal in Tübingen angekommen ist, brannte eine LED Kerze in seinem Bettchen. Die Notfallseelsorgerin hatte sie für unser Baby angezündet. Mein Mann wurde gefragt, ob sie noch eine Taufe organisieren solle. Da es für unsere beiden Großen besser wäre sich von ihrem Bruder zu verabschieden, könnte man eine Ausnahme wegen der Besuchsregelung machen. Normal sind Kinder auf der Intensivstation erst ab 12 Jahren erlaubt. Von alldem hab ich aber erst später erfahren….

 

3 Tage nach meinem Kaiserschnitt wurde ich entlassen und es ging sofort nach Tübingen. Wir bekamen ein Zimmer im Ronald Mc Donald Haus. Ein komisches Gefühl sein Kind wieder zu sehen. Ist das wirklich mein Baby, dass da mit den vielen Schläuchen und Kabeln so unschuldig in seinem Bettchen liegt? Ich wollte nachfragen wie es ihm geht, wie seine Chancen stehen, aber ich habe mich nicht getraut. Ich hatte viel zu sehr Angst vor der Antwort.

Zwei Tage später hab ich es mich dann doch getraut. Der Arzt meinte, er wisse nicht wohin die Reise geht. Unser Sohn ist schwerkrank. Seine Krankheit heißt „Lungenhochdruck“ und kommt bei Babys praktisch nicht vor. Durch den zu hohen Druck in der Lunge wird diese nicht mit Sauerstoff angereichert. Es gibt weltweit nur sehr wenige ähnliche Fälle.

 

Er will leben

Aber allen zum Trotz wollte er leben, er ist ein kleiner Kämpfer. Nachdem ihn seine Brüder besuchen durften, ging es ihm tatsächlich endlich besser. Jeden Tag machte er Fortschritte und konnte so nach über einer Woche extubiert werden. Endlich durften wir ihn dann auch auf den Arm nehmen. Die Ärzte können uns zwar nicht garantieren wie er sich entwickelt (das können sie aber bei keinem Baby), aber Folgeschäden wegen einem möglichen Sauerstoffmangel konnten sie ausschließen. Wir waren unendlich erleichtert.

Nach zwei Wochen durften wir die Intensivstation verlassen. Die Ärzte selbst sprechen von einem kleinen Wunder. Sie hätten nicht gedacht, dass er sich innerhalb dieser Zeit so prächtig erholt.

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Auf der normalen Kinderstation wurden seine Medikamente stark zurückgefahren. Er musste einen Morphium Entzug, verbunden mit starkem Erbrechen und Zitteranfällen, durchleiden. Wahrlich keine schöne Zeit, aber die starken Medikamente mussten eben sein. Zusätzlich hatte er durch die lange Intubation seinen angeborenen Saugreflex verloren. Eine Nahrungsaufnahme war nur mit Magensonde möglich. Aber in Anbetracht was hinter uns lag, konnte man das als wirkliches „Luxusproblem“ ansehen. Mit viel Physiotherapie hat er gelernt aus der Flasche zu trinken und sich schlussendlich selbst die Magensonde gezogen. Nach weiteren zwei Wochen auf der Kinderstation wurden wir nach insgesamt vier Wochen Klinikaufenthalt endlich entlassen.

 

Dankbar

Worte allein können unsere Dankbarkeit und Freude nicht beschreiben.

 

Danke, Danke, Danke

 

– an unsere Familie, Freunde und Nachbarn, die geholfen haben das Leben zuhause mit unseren großen Jungs weiterzuführen,

– dem Universitätsklinikum Tübingen, die die richtigen Entscheidungen in kritischen Momenten getroffen haben,

– der Ronald Mc. Donald`s Kindernothilfe, die uns für fast 4 Wochen einen freundlichen und familiären Rückzugsort geschenkt haben und an

– alle die an uns gedacht, mitgefühlt und gebetet haben…

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Liebe Mama, ich danke dir von Herzen, dass du den Mut gefunden hast dich zu öffnen. Plötzlich erscheinen einem die eigenen Sorgen und Ängste als unwichtig und klein, wenn man liest, was du erlebt hast. Auch ich habe beim Lesen deines Textes geweint und mitgefühlt!
Ich wünsche dir und deiner Familie nur das Beste und vor allem Gesundheit. Dir ganz persönlich wünsche ich, dass du einen Weg findest das Erlebte zu verarbeiten und jeden weiteren Tag in deinem Leben nur noch Freude und Glück verspürst!!!

Wenn ihr dieser starken Frau und Mama auch etwas mitteilen wollt, könnt ihr die Kommentarfunktion nutzen. Ich werde sie informieren, dass der Beitrag online ist und so wird sie sich eure Kommentare anschauen können!

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2 Gedanken zu „Reise ins ungewisse – Gastbeitrag einer starken 3-fach Mami

  • Dagmar

    Noch so ein schöner Beitrag mit Tränen in den Augen. Es ist echt toll, das du anderen die Chance gibst, ihre Geschichte zu veröffentlichen. Lg Dagmar

  • Julia Herrmann

    Wow dieser GastBeitrag ist einfach wahnsinnig gefühlvoll!!! Ich hätte echt Tränen in den Augen ! Ich konnte m mich wirklich hinein versetzen ! wie es dir, euch erging ! Denn mich erinnert die Geburt meines Sohnes was man alles durch machen musste .

    Die Geburt meines ersten Sohnes damals war auch ein Erlebnis das für mich sehr schlimm war . Mein kleiner müsste sofort auf die intensivstation . Das erste was ich mir dachte war lebt er ? Warum schreit er nicht ? Warum bewegt er sich nicht ? Ängste und Sorgen . Die Ärzte waren panisch und ich lag einfach nur da …Er hatte nicht geatmet die nahmen ihn gleich mit . Da sie ihn beatmen wollten aber das Sauerstoff Gerät funktioniert nicht das an der Wand hing !!! So etwas darf gar nicht passieren !!! als die Ärzte den nächsten Tag alle so komisch waren fragte ich mehrmals nach . Sie sagten alles in Ordnung er müsste eine Weile auf der Station bleiben . Und ich hab immer gespürt das etwas nicht stimmt . Sie haben mir ins Gesicht gelogen denn 3 Tage später sagten sie mir die wussten gleich nach der Geburt wo sie meinen kleinen Sonnenschein gesehen haben das er das Down Sydrom hat . Ich war völlig fertig . Und konnte dies nur schwer akzeptieren . Ich bin meinem mann so dankbar das er für mich da war und unseren kleinen von Anfang an geliebt hat . Jetzt ist unser ein kleiner Sonnenschein !

    Auf den wir sehr stolz sind , auch wenn manche Leute einen komisch ansehen und auch fragen warum nicht abgetrieben hätte und vieles mehr . Ich hab es die ganze Schwangerschaft nicht gewusst aber auch wenn ich es gewusst hätte , hätte ich nie meinen kleinen Sonnenschein aufgegeben !

    Ich habe durch ihn gelernt die kleinen Dinge im Leben zu schätzen ! Nicht alles ist selbstverständlich ! Und auf das ist es was es ankommt !

    Vielen Dank für diesen Beitrag <3

    Ganz liebe Grüße Julia

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